Guido Schüllner

Yrias oder Fasching

XXIV. Von dem heidnischen Zusammenlaufen, welches sie Yrias nennen, mit zerrissenen Kleidern oder Schuhen.

(..De pagano cursu, quem yrias nominanr, scissia jiauuis vel calci amentis. Indic. superst.et pngan. n. 24.)

Kein heidnisches Volksfest*) wurde strenger von den ersten Bischöfen und deutschen Kirchenversammlungen verboten als das sogenannte Faschingsfest, welches im Monate Jänner fast in allen Landen gefeiert wurde. Weil es einen heidnischen Ursprung hatte und doch von den Christen noch beibehalten wurde, wird es hier ganz einfach „heidnisches Zusammenlaufen" genannt. Yrias ist ein altdeutsches Wort, dessen wahre Bedeutung wir nicht wissen. Eckhart glaubt, statt Yrias müsse Scyrias gelesen werden, eine Vermutung, die durch den Zusatz „mit zerrissenen Kleidern und Schuhen" eine große Wahrscheinlichkeit erhält. Die erste Silbe Scy oder Scu soll Schuhe nach der jetzigen Aussprache bedeuten und die zweite, Rias oder Ries, kommt von „reißen, zerreißena her, so daß das Ganze so viel sagt als „das Fest der zerrissenen Schuhe*. In den alten Chroniken von Hildesheim und Braunschweig wird es „Schodufel Lopen" oder in besserem Deutsch „Schuhteufelslaufen" genannt. Je närri¬scher die Vorstellung war, desto besser entsprach sie dem Feste, das nur den Narrenpossen gewidmet war. Man nahm alle- fremden Gestalten an und schämte sich sogar nicht, die wilde Natur der verschiedensten Tiere vor¬zustellen. Der Bischof Faustinus gibt uns in einer Rede,**) die er über dieses Fest gehalten hat, ein lebendiges Bild desselben. „An diesen Tagen", sagte er, „nehmen elende Menschen, und was noch schlimmer ist, einige Getaufte, verstellte, abenteuerliche Gestalten an, wobei man nicht weiß, was man belachen und was man bedauern soll; denn welcher Ver¬nünftige kann es glauben, daß solche Menschen nicht verrückt sind, die das Hirschenspiel machen und sich in die Gestalt des Wildes kleiden? Andere bedecken sich mit den Häuten von Haustieren ; andere wählen sich die Köpfe von Tieren und freuen sich und frohlocken, wenn sie sich so in Tiergestalten umgekleidet haben, daß sie nicht als Menschen er¬scheinen. Sie deuten dadurch an und geben zu erkennen, daß sie nicht so fast das äußere Ansehen der Tiere als den Tiersinn selbst angenommen haben."

Um diese heidnischen Lustbarkeiten unter den Christen gänzlich zu verbannen, bestimmten die deutschen Bischöfe eine öffentliche Buße für den, der solche mitgemacht hätte. In dem Pönitenziale des hl. Bonifazius und des Bischofs Halitgar wird eine dreijährige Bußzeit angesetzt; Burkard von Worms beschränkte diese Zeit aber auf dreißig Tage bei Wasser und Brot.*)


Aus „Gebräuche der alten Deutschen“ Übersetzung der